Wenn nicht jetzt, wann dann?
Damit das Arbeiten in der Steuerverwaltung morgen noch besser gelingt und alle bequem an ihren eigenen Steuerbescheid kommen, müssen Menschen bei KONSENS heute Veränderungenanstoßen. Das ist nicht immer leicht. Aber immer spannend!
Sven Kruse
Leiter ZOE ARC
»Architekturmanagement ist zwar technisch, aber auch People’s Business. Denn wir bringen Veränderung, und Veränderung ist unbequem. Zu vermitteln, welche Vorteile neue Strukturen haben, ist die größte Herausforderung.«
Wenn Sven Kruse von seinem Job erzählt, ist schnell zu spüren, dass er etwas bewegen will. »Ich bin niemand, der die Dinge auf sich beruhen lässt. Irgendwann muss etwas Neues her.« Das spiegelt auch sein Werdegang wider: Nach dem Studium sammelte der Wirtschaftsinformatiker gut zehn Jahre Erfahrung in verschiedenen globalen Unternehmen, bevor er 2021 zur Finanzverwaltung Nordrhein-Westfalen wechselte. Seit April 2022 leitet der 33-Jährige hier die Zentrale Organisationseinheit Architekturmanagement – kurz ZOE ARC – und ist damit an einem Paradigmenwechsel in der Steuerverwaltung federführend beteiligt: der Umstellung auf die Zielarchitektur 2025. Um zu erklären, was seine Arbeit ausmacht, nutzt Kruse ein einfaches Bild: KONSENS als Haus. »Wir als ZOE ARC geben den Rahmen vor, wie dieses Haus gestaltet werden soll, damit am Ende alle Bauteile exakt ineinandergreifen.« Das Fundament sei die Hardware – »also die Server und Rechner, auf denen alles läuft«. Darauf aufgebaut halte die ZOE ARC nun fest, wie viele Stockwerke und Bäder das Haus haben soll oder wie hoch die Räume sind.
»Wir geben zum Beispiel vor, auf welcher Linux Version die Software laufen, welche Datenbanken genutzt oder welche Programmiersprache verwendet werden soll.« Mit der Zielarchitektur 2025 verabschiede man sich vom sogenannten monolithischen Vorgehen: »Um im Bild des Hauses zu bleiben: Früher war alles aus einem Guss. Heute dagegen fügen wir vorgefertigte Module aus modernsten Baustoffen vor Ort zusammen.« In der IT-Sprache heißen diese Elemente
»Microservices« und sie bergen einen großen Vorteil: »Früher musste man selbst bei der kleinsten Aktualisierung gleich das gesamte Software-Verfahren anfassen. Heute ist es möglich, kleinere Teile zu bearbeiten und Änderungen gezielt umzusetzen.« Die größte Herausforderung seiner täglichen Arbeit liegt für Sven Kruse nicht in der Technik, sondern darin, die Menschen von den Vorteilen der neuen Struktur zu überzeugen. Und die liegen für ihn auf der Hand: »Die Mitarbeitenden in den Finanzämtern werden von modernen Oberflächen profitieren, die so einfach zu bedienen sein werden wie die Apps, die sie vom Handy kennen. Und Entwicklerinnen und Entwickler können bei neuen gesetzlichen Vorgaben schneller und mit weniger Aufwand die Funktionalitäten der Software anpassen.«
Erst vereinheitlichen, dann vorantreiben
Dass Innovation manchmal mit Unsicherheiten verbunden ist, weiß Marion Ringe aus erster Hand. Sie leitet seit 2019 das Verfahren BuStra/ Steufa, das die Mitarbeitenden in den Bußgeld- und Strafsachenstellen sowie der Steuerfahndung bei ihrer täglichen Arbeit unterstützen soll. Kern der neuen Anwendung: Sie setzt einen Geschäftsprozess in einen IT-Ablauf (Workflow) um, der die Zusammenarbeit in und zwischen den Bereichen Strafsachenstelle, Fahndung und Innendienst abbildet. »Wer macht was in welcher Reihenfolge? Wer muss ein Dokument gegenzeichnen? Das ist ein Wissen, das Kolleginnen und Kollegen, die schon lange dabei sind, intuitiv haben, in das sich Neue aber oft erst aufwendig einarbeiten müssen.«
BuStra/Steufa leitet nun alle Mitarbeitenden durch diesen Prozess. »In der Erstversion erzeugt die Software zum jeweiligen Prozessschritt bereits einen Teil der benötigten Dokumente – von der Einleitung bis zur Einstellung des Verfahrens«, erklärt Marion Ringe. Die Verfahrensmanagerin ist überzeugt von »ihrem« Produkt, doch sie benennt auch Herausforderungen: »Unsere größte Hürde bei der Einführung sind die unterschiedlichen Erwartungshaltungen der Länder, die wiederum auf den unterschiedlichen Reifegraden der bisher in den Ländern eingesetzten Anwendungen beruhen.« Denn: BuStra/Steufa löst bestehende Länderverfahren ab und ersetzt dabei in einigen Ländern auch Anwendungen, die über das hinausgehen, was das KONSENS-Produkt BuStra/ Steufa aktuell bietet. Dass der Einsatz einer neuen, weniger umfassenden Anwendung auf den ersten Blick als Rückschritt empfunden wird und auf Gegenwind stößt, kann Marion Ringe nachvollziehen. »Demgegenüber stehen aber eben auch Länder, die weder die finanziellen noch die personellen Mittel haben, um eigene moderne IT-Unterstützungsleistungen zu programmieren. Für diese Länder bedeutet der Einsatz von BuStra/ Steufa bereits mit der Erstauslieferung einen Fortschritt.« Insgesamt überwiegen für Marion Ringe die Chancen, die in der Vereinheitlichung liegen.
»Ich glaube, wir öffnen hier echter Innovation die Tür: Indem wir eine Basis schaffen, auf der wir aufbauen können, das Produkt weiter vorantreiben und eine stärkere Vernetzung ermöglichen. Das bringt am Ende allen Ländern einen Mehrwert.«
Marion Ringe
Stellvertetende Verfahrensmanagerin BuStra/Steufa
»Veränderungsprozesse sorgen oft für Verunsicherung, zunächst auch für Mehrbelastung. Das muss man ernst nehmen und sich damit auseinandersetzen. Wichtig ist aber auch: den Blickwinkel
zu weiten auf das, was Positives entstehen kann.«
Frank Kamphausen
Entwicklungsleiter in Niedersachsen und Verfahrensmanager StundE
»Unsere Vision ist es, künftig kein Papier mehr zu brauchen – nicht als steuerzahlendes Unternehmen, nicht als Steuer-Bürgerinnen und -Bürger und nicht als Bearbeitende in den Finanzämtern.«
Gemeinsam statt im Alleingang
Andere vom Nutzen einer neuen Software zu überzeugen, die bisher eingesetzte Programme ablöst: Diese Herausforderung kennt auch Frank Kamphausen. Der 49-Jährige leitet seit 2017 das Verfahren StundE. Die Abkürzung steht für Stundung und Erlass – ein Name, der mittlerweile nur noch teilweise beschreibt, was das Verfahren leistet. Etwa 25 Mitarbeitende in Niedersachsen entwickeln Softwarelösungen, die die Finanzämter dabei unterstützen, verschiedene Anträge rund um die zu zahlenden Beträge zu bearbeiten. Dabei geht es nicht nur um die Stundung – also das spätere Bezahlen – und den Erlass – also das Nichtbezahlen – einer Steuerforderung, sondern auch um die sogenannte »Aussetzung der Vollziehung«. »Letzteres greift, wenn zum Beispiel gegen einen Steuerbescheid Einspruch eingelegt oder geklagt wird und die Zahlung des Betrags so lange hinausgezögert werden soll, bis die rechtliche Klärung abgeschlossen ist«, erklärt Kamphausen. StundE wurde nach und nach in den Ländern eingeführt und kommt seit 2021 in nahezu allen deutschen Finanzämtern zum Einsatz. »Wir schätzen, dass mittlerweile rund 50.000 Menschen regelmäßig mit StundE arbeiten«, so Kamphausen.
Testen mit Strategie
Ob BuStra/Steufa oder StundE: Kein KONSENS-Verfahren kommt an Daniel Gress vorbei. Er leitet seit sieben Jahren das TestCenter KONSENS – kurz TCK – und ist damit dafür verantwortlich, neu entwickelte Software auf Herz und Nieren zu prüfen. Im Vordergrund steht dabei die umfassende Integration der Programme: »Wir schauen, ob die Software auch im großen KONSENS-Kosmos genauso funktioniert, wie sich die Entwicklerin oder der Entwickler das vorgestellt hat«, so Gress. Dazu hat das TCK eine sogenannte Referenzumgebung erschaffen. »Wir haben dort eine ideale Finanzamtswelt nachgebaut, auf der Rechnern immer die neuesten Stände von allen KONSENS-Verfahren installiert sind. Auf diese Weise können wir sehen, ob die Verfahren korrekt miteinander kommunizieren.« Neben diesen Schnittstellentests prüfen die insgesamt 30 Mitarbeitenden des TCK unter anderem einen Katalog von mittlerweile mehr als 100 Anforderungen, die Sven Kruses Team von der ZOE ARC (siehe oben) an KONSENS-Software stellt. »Wird eine Vorgabe nicht eingehalten, weisen wir das zurück – dann können die Verfahren das ändern oder eine Ausnahmegenehmigung bei ZOE ARC beantragen.«
In Zukunft werden Daniel Gress und sein Team im Rahmen der neuen KONSENS-Teststrategie noch deutlich mehr Verantwortung übernehmen. »Statt uns »nur« auf die sich ständig weiterentwickelnde Integration der Software zu konzentrieren, werden wir die Entwicklerinnen und Entwickler in den Ländern auch bei den frühen Tests während der Entwicklungsphase der Software unterstützen.« Dafür wird das TCK den Verfahren die Möglichkeit bieten, sich auf Knopfdruck eine temporäre Testumgebung aufzubauen, mithilfe derer sie auch die Schnittstellen zu den sich gerade ebenfalls neu entwickelnden Verfahren testen können. Bis es so weit ist, müssen Daniel Gress und sein Team noch einige Hürden überwinden. Doch der 48-jährige Jurist ist optimistisch: »Wir haben in den letzten Jahren schon Großes geschafft, den Automatisierungsgrad unserer Arbeit vorangetrieben – und wir werden künftig noch mehr dazu beitragen, die Qualität der KONSENS- Software zu verbessern
Daniel Gress
Leiter TestCenter KONSENS
»Kaum ein Bereich ist so schnelllebig wie die
IT – da kann und darf man sich Veränderungen nicht verwehren. Und das will ich auch gar nicht.«