Ohne die Finanzverwaltung läuft gar nichts
Florian Köbler ist als Bundesvorsitzender der DSTG die Stimme der Menschen, die in deutschen Finanzämtern arbeiten. Im Interview spricht er über die Rolle der IT in der Steuerverwaltung – und die großen Herausforderungen der kommenden Jahre.
Florian Köbler
ist seit Juni 2022 Bundesvorsitzender der Deutschen Steuer-Gewerkschaft (DSTG)
und seit 2018 der Präsident der Union of Finance Personnel in Europe (UFE).
»Es muss darum gehen, die Vorteile der IT mit dem
Erfahrungsschatz und dem Wissen der Beschäftigten
in der Steuerverwaltung zu kombinieren – und das
Beste für alle herauszuholen.«
Die Digitalisierung des deutschen Verwaltungsapparats ist eine Mammut- aufgabe. Vielfach wird das mangelnde Tempo dieses Prozesses kritisiert. Wie würden Sie den Stand der Dinge in der deutschen Steuerverwaltung beschreiben?
Für mich steht fest, dass die Steuerverwaltung die mit Abstand digitalste Verwaltung in Deutschland ist. Wir sind gut, aber wir müssen trotzdem besser werden. Schon allein wegen des drohenden Fachkräftemangels muss es gelingen, dass der Computer uns Arbeiten abnimmt – das ist unsere einzige Chance. Momentan befinden wir uns in einer Hybridphase: Es ist schon vieles digitalisiert, aber es gibt auch noch eine Menge Papierakten. Die derzeitige Herkulesaufgabe ist es, diese analoge Welt in die digitale zu überführen. Und das kostet nicht nur Geld, sondern auch immens viel Arbeitskraft.
Der Kampf um Fachkräfte tobt in der IT besonders heftig. Öffentliche Arbeitgeber tun sich schwer, mit globalen Unternehmen mitzuhalten. Was kann die Steuerverwaltung tun?
Aus meiner Sicht müssen ganzheitliche Konzepte gefunden werden. Das fängt bei Strategien für die Personalgewinnung an und geht hin bis zu Onboarding-Konzepten, guten Personalentwicklungsmöglichkeiten, dem Ausbau interner Studiengänge und einer dauerhaften Mitarbeiterbindung. Über allem steht das Image der Steuerverwaltung als öffentliche Arbeitgeberin. Es muss uns gelingen, dieses Image weiter zu verbessern:
mit guten Arbeitsbedingungen, einer tollen Work-Life-Balance und natürlich einer attraktiven Bezahlung. Die Beschäftigten müssen sich wertgeschätzt fühlen.
Erhält das IT-Personal in der Steuerverwaltung aus Ihrer Sicht die Anerkennung, die es verdient?
Das Problem ist, dass gut funktionierende Dinge immer als selbstverständlich hingenommen werden. Sobald aber eine Sache nicht läuft, ist der Ärger groß. Denken Sie nur an den ELSTER-Ausfall Anfang Juli 2022: Ein Bauteil wurde defekt, weshalb ELSTER ein Wochenende nicht die gewünschte Performance liefern konnte. Das Medienecho war riesig und man schrieb von der katastrophalen Digitalisierung der Steuerverwaltung. Dass ELSTER aber über mittlerweile 23 Jahre nahezu problemlos läuft, davon spricht kaum jemand. Lassen Sie mich klar sagen: Die Beschäftigten in der IT machen einen großartigen Job, aber können eben auch nicht alle Löcher stopfen. Deshalb brauchen wir mehr Personal und mehr Geld.
Finanzbeamtinnen und -beamte haben in Deutschland einen eher schlechten Ruf. Brechen Sie doch hier eine Lanze für diesen Berufsstand.
Klar ist: Ohne die Finanzverwaltung würde gar nichts laufen – niente! Die Finanzverwaltung ist die einzige Einnahmeverwaltung des Staates und sorgt mit ihrer Arbeit dafür, dass der Staat handlungsfähig ist und bleibt. Ich bin aber davon überzeugt, dass sich das Image unseres Berufsstandes in den letzten Jahren gewaltig verbessert hat. Klar, niemand zahlt gern Steuern – aber die Bürgerinnen und Bürger akzeptieren es nicht länger, dass sich eine bestimmte Klientel ihrer Steuerpflicht entzieht, oftmals mit illegalen Mitteln. Fest steht, dass wir diejenigen sind, die für Steuergerechtigkeit kämpfen. Und wir sorgen mit unserer Arbeit für faire Wettbewerbsbedingungen. Das ist ein wichtiger Standortfaktor für die Wirtschaft – die Verlässlichkeit der Verwaltung.
KONSENS feiert dieses Jahr 15. Geburtstag. Was waren die größten Leistungen des Vorhabens aus Ihrer Sicht?
Für mich war und ist die größte Leistung, dass es gelungen ist, alle Länder und den Bund beim Vorhaben KONSENS mit an Bord zu holen und das Vorhaben einer gemeinsamen IT voranzubringen. Vorausgegangen war ja die sogenannte fiscus GmbH, die aber scheiterte. Das ist KONSENS nicht passiert – im Gegenteil: Gerade mit ELSTER und dem ELSTER-Zertifikat wurden hier echte Meilensteine geschaffen. Vergangenes Jahr sind knapp 32 Millionen Steuererklärungen elektronisch abgegeben worden. Bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass es vor rund zehn Jahren noch unter zehn Millionen waren. Klar gibt es trotzdem weiter viel zu tun…
Was wären aus Ihrer Sicht wichtige Meilensteine?
Ich gehe davon aus, dass die Bürgerinnen und Bürger langfristig einen vollständig digitalen Workflow mit der Steuerverwaltung erwarten. Die Steuererklärung per App ist dabei sicher ein Thema. Im Idealfall gibt es eine nahezu komplett vorausgefüllte Steuererklärung und die Steuerpflichtigen müssen diese nur noch bestätigen. Für die Zukunft erwarte ich außerdem, dass uns Künstliche Intelligenz bei der Prüfung von Steuererklärungen, Buchhaltungsdaten und anderen Dokumenten hilft. Insgesamt muss es darum gehen, die Vorteile der IT mit dem Erfah- rungsschatz und dem Wissen der Beschäftigten zu kombinieren – und das Beste für alle herauszuholen.